Paula Seeburg – einmal nach Japan und zurück

Im nächsten Interview widmen wir uns einer jungen Kendoka, die mit 17 Jahren kurz vor dem Übergang in die Frauenkategorie steht. Seit zwei Jahren macht Paula Seeburg nun schon Kendo und war bereits für ein Jahr in Japan an einer High Schoool unter anderem im Kendo Club aktiv.

Vermutlich hast du vor der Wahl Kendo zu machen einige andere Sportarten
ausprobiert. Was hat dich letztendlich zu Kendo gebracht?

Naja, viele waren es nicht. Ich habe eine Zeit lang Selbstverteidigung gemacht und bin geritten. Mit Selbstverteidigung habe ich aufgehört als meine Familie umgezogen ist und das Reiten hat mir irgendwann nicht mehr so richtig viel Spaß gemacht. Meine Eltern waren aber der Meinung ich müsse Sport machen, also habe ich mich nach etwas anderem umgesehen. Von Kendo habe ich dann tatsächlich in der Zeitung gelesen. Das Bild in der Zeitung sah cool aus, also habe ich den Artikel dazu gelesen (okay, vielleicht auch ein bisschen, weil japanisch darüber stand). Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, habe ich mich sofort informiert und für den nächsten Anfängerkurs angemeldet.

Wenn dich deine Freunde oder deine Familie neugierig fragt, was du da eigentlich machst, was antwortest du dann? Wie beschreibst du dein Hobby?

Das ist immer ein bisschen schwierig zu beantworten, aber meistens sage ich einfach, dass es eine eine japanische Kampfsportart ist, bei der wir mit Schwertern kämpfen. Meist kommt daraufhin die Frage: „ach, so wie Fechten?“ Und da stehe ich vor dem nächsten Problem, ich hab keine Ahnung vom Fechten also sage ich zu Freund*innen die ich gut kenne meist scherzhaft so etwas wie, „so ähnlich, aber Kendo ist cooler ;)“. Ansonsten zeige ich meist einfach ein Bild auf den Handy und sage: „So ungefähr sieht das aus. Wir kämpfen mit Bambusschwertern und müssen immer schreien.“ Wenn Interesse besteht erzähle ich natürlich gerne weiter, aber den meisten reicht das als Erklärung.

Deine Faszination und dein Interesse an Japan haben dich im letzten Jahr zu einem Auslandsjahr gebracht. Wie war der Wechsel für dich vom deutschen Freizeitkendo zum japanischen Schulkendo?

Hart. Ich hab statt ein- bis zweimal die Woche Training, vier- bis fünfmal in der Woche trainiert. Das war am Anfang super anstrengend und ich hatte echt viel Muskelkater. Aber das legt sich nach ein paar Wochen und dann ist es einfach nur noch toll!!! Obwohl das Level wesentlich höher war als in Deutschland in meiner Altersklasse – in Japan fangen die Meisten schon in der Grundschule mit intensivem Training an, deshalb ist das dort ganz normal. Weitere Unterschiede waren, dass unser Sensei nicht immer da war und an solchen Tagen die Älteren die Jüngeren trainiert haben. Oder dass wir zwar unglaublich viel kindischen Quatsch gemacht haben, aber sobald das Training begonnen hatte, haben sich alle benommen und waren super diszipliniert. Es waren quasi zwei Welten, Training und alles drum herum. Aber ich muss ehrlich sagen, mir macht beides viel Spaß; das japanische und das deutsche Training. Ich vermisse meinen Club in Japan wirklich sehr.

Paula mit ihren Freunden des Kendoclubs beim Sportfest der High School

Nachdem du zurück gekommen bist, hast du eine noch größere Jugendgruppe kennenlernen dürfen. Wie war das für dich wieder in die neue alte Gruppe zurückzukommen?

Lustig. Am ersten Tag war von den Jugendlichen nur eine Person da, die ich kannte. Das hat mich sehr überrascht. Beim nächsten Mal waren es dann schon mehr und ich habe mich sehr gefreut alle wiederzusehen und auch mit den anderen, die ich vorher noch nicht kannte verstehe ich mich gut. Was mir aber immer noch passiert, ist dass ich während des Trainings plötzlich anfange Japanisch zu sprechen, weil die ganzen Wörter japanisch sind und mein Gehirn einfach umschaltet, aber das legt sich sicher bald wieder.

In der Schule geht es für dich jetzt auf den Abschluss zu.
Schaffst du es gut dein Hobby und den Schulalltag zusammenzubringen? Ist das eher schwer oder profitieren Schule und Kendo sogar voneinander?

Ehrlich gesagt beides irgendwie. Vor Klausuren ist es natürlich manchmal stressig, aber Stress muss auch abgebaut werden. Sport und Spaß helfen dabei. Und ja, Schule profitiert auch vom Kendo. Ich habe beim Kendo viele Dinge gelernt, die mir auch in der Schule helfen. Disziplin und Ausdauer. Beides ist gut auf das Lernen für die Schule anzuwenden. Aber am meisten hat Kendo mir in Sachen Selbstbewusstsein schaffen und Nervosität überwinden geholfen. Bei einem Kampf war ich am Anfang immer super nervös, aber wer nervös ist, ist auch unkonzentriert und damit sinken die Gewinnchancen. Wenn ich vor der Klasse sprechen muss, war es genau das selbe. Ich war nervös und habe gestottert und dann sinken natürlich die Chancen auf eine gute Note. Kendo hat mir sehr geholfen mein Selbstbewusstsein zu stärken und mit meiner Nervosität umzugehen. Das hilft mir nicht nur in der Schule, sondern auch im alltäglichen Leben. Ich bin weniger schüchtern und habe weniger Angst mehr Leute anzusprechen. Oder auch vor einer größeren Gruppe an Menschen zu reden. Kendo und Schule unter einen Hut zu bekommen ist also nicht immer ganz einfach, aber die Vorteile und der Spaß am Kendo sind die Mühen auf jeden Fall wert.

Wir haben dich in Hamburg relativ schnell in das Wettkampftraining der Erwachsenen und die jetzt neuen, speziellen Jugendtrainings aufgenommen. Du nimmst auch mit großem Eifer und Ehrgeiz teil. Wie vergleichen sich die Inhalte der speziellen Einheiten mit denen des Trainings am Dienstag und Freitag?

Häufig ist das Training am Dienstag und Freitag nicht ganz so anstrengend wie die anderen Trainings. Ich glaube, dass liegt vor allem daran, dass wir Dienstags und Freitags oft Grundlagen üben und bei den anderen eher Wettkampf orientiertes Training machen. Das reguläre Training hängt aber natürlich auch davon ab, was als nächstes so ansteht. Vor Prüfungen zum Beispiel machen wir häufig Kata, was mit Leuten, die das ernst nehmen echt viel Spaß macht. Zudem sehe ich beim regulären Training natürlich auch meine Freund*innen, was mich immer freut, die sind nicht immer bei allen speziellen Einheiten dabei.

Dafür sind bei den speziellen Einheiten manchmal auch Leute aus anderen Dojos dabei, sodass ich so noch mehr Kendo begeisterte Menschen kennenlernen kann, was echt cool ist.

Ich muss sagen, dass mir trotz der Unterschiede beides gleich viel Spaß macht.

Was sind deine kurz-, mittel-und langfristigen Ziele im Kendo?

Ehrlich gesagt habe ich da nie so richtig drüber nachgedacht. Ich liebe Kendo, deshalb trainiere ich so viel. Und natürlich bin ich auch motiviert und ehrgeizig und möchte auf jeden Fall besser werden. Und ich habe einem
Freund in Japan versprochen ihn eines Tages im Shiai zu besiegen. Ich glaube, das ist erstmal so mein Ziel. Kein wirklich konkretes und wahrscheinlich eher langfristiges Ziel, aber immerhin. Das Ziel in die Nationalmannschaft zu kommen, was vermutlich viele haben, habe ich im Moment nicht. Ich möchte am Training wachsen und Spaß daran haben. Wenn es sich aber ergibt, dass ich irgendwann professionell Kendo machen kann, werde ich nicht nein sagen.

Ganz lieben Dank für die ausführlichen Antworten und Einblicke. Wir freuen uns schon darauf mit dir weiter durch deine Kendokarriere zu gehen!